Glaube + Heimat fragt nach
Im Nachgang des diesjährigen Kongresses Evangelischer Grundschulen und dem Jubiläum 100 Jahre Grundschule veröffentlicht die Kirchenzeitung in der Ausgabe 42 eine Kurzfassung des Gesprächs mit der Pädagogin Anne Zacharias, Lehrerin unserer Evangelischen Grundschule „Martin Luther“ in Hettstedt. Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Unter dem Motto „Zeit für mehr … Zukunfts(t)räume“ hatte die Evangelische Schulstiftung in Mitteldeutschland Anfang Oktober zu einem Kongress nach Friedrichroda eingeladen. 300 Pädagogen waren gekommen. Anne Zacharias, Lehrerin an der Evangelischen Grundschule „Martin Luther“ in Hettstedt im Südwesten von Sachsen-Anhalt, hat eine genaue Vision von der Schule der Zukunft.
Guten Tag Frau Zacharias, schön dass Sie sich die Zeit nehmen, um uns einige Fragen zu beantworten! Die Schulform der Grundschule wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Konzipiert ist sie als ein Lernort für alle. Ist das noch zeitgemäß oder muss man umdenken?
Aus meiner Sicht ist das zeitgemäßer denn je!
Warum?
Unsere Welt wird zunehmend komplexer, die Grundschule stellt für mich die Basis zur Vermittlung von Grundfähigkeiten dar.
Welche Grundfähigkeiten sollte eine Grundschule aus Ihrer Sicht vermitteln?
Als Lehrerin steht für mich die Wissensvermittlung an erster Stelle, zudem möchte ich den Schülerinnen und Schülern aber auch soziale Kompetenzen und Werte, wie beispielsweise Toleranz, vermitteln.
Stichwort Werte: Die Bildungslandschaft in Deutschland ist vielfältig. Mit welchen Werten können Träger evangelischer Schulen die Eltern überzeugen?
Bei uns an der Grundschule in Hettstedt steht aus meiner Sicht die Schulgemeinschaft mit den drei Kooperationspartnern Eltern, Hort und Gemeinde an erster Stelle. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit innerhalb dieser Gemeinschaft auf verschiedenen Ebenen stattfindet: Sowohl die Pädagogen und Erzieher, als auch die Pädagogen und Eltern, aber auch Pädagogen und die Gemeinde arbeiten immer eng zusammen. Es gibt also nicht nur die Pädagoginnen und Pädagogen.
Dann haben wir hier in Hettstedt noch die „Schulgemeinde auf Zeit“, das ist ein Erprobungsraum der EKM, in dem die Schule selbst zur Gemeinde wird. Wir organisieren beispielsweise verschiedenste Aktivitäten wie die Vater-Kind-Freizeit, Kinderfreizeiten, Familiengottesdienste oder Adventsmärkte. Dadurch werden evangelische Werte vermittelt, die die evangelischen Grundschulen auszeichnen und, die meiner Meinung nach, die Eltern auch überzeugen.
Sie haben gerade von der Zusammenarbeit der Schule mit den Eltern gesprochen. In vielen Schulen in freier Trägerschaft ist Elternbeteiligung nicht nur wünschenswert, sondern auch sehr nötig. Wie ist das in Hettstedt?
Evangelische Schulen sind zu einem großen Teil auch durch die Elternarbeit das, was sie sind: eine Gemeinschaft, die auch von der Elternarbeit lebt. Unser Schulalltag wird gemeinsam realisiert und wir haben das große Glück, sehr viele engagierte Eltern zu haben und das, obwohl die Eltern ja auch ihre Verpflichtungen und Berufe haben.
Bei dem diesjährigen Grundschulkongress beschäftigen Sie sich intensiv mit dem Thema „Zukunfts(t)räume“. Wenn Sie mal richtig träumen könnten: Was wünschen Sie sich an politischen Maßnahmen?
Mein Traum für die Zukunft wäre das Zwei-Pädagogen-Prinzip, da ich als studierte Förderschullehrkraft die Heterogenität oder die Unterschiedlichkeit in den Blick nehmen und somit die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler fördern kann. Momentan ist das leider (noch) nicht zufriedenstellend möglich, aufgrund großer Klassen und des Ein-Lehrer-, des Klassenlehrerprinzips.
Zum Thema Schulentwicklung haben Sie sich im Vorfeld des Kongresses gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen eine Visionen für Ihre Schule überlegt. Wie sieht die aus?
Unsere Vision ist das Evangelische Kinderhaus. Momentan arbeiten Hort und Schule zusammen. Der Traum für unsere Schule in zehn Jahren wäre allerdings die Anbindung an einen evangelischen Kindergarten, um die Kinder schon früh an die religiösen Abläufe, wie Andachten, Gottesdienste zu gewöhnen und dann vom Kindergarten in die Schule zu übernehmen. Aber auch um Hand-in-Hand zu arbeiten, sprich Erzieherinnen und Erzieher aus dem Kindergarten arbeiten regelmäßig mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammen, so dass schon der (Schul-) Alltag zusammen organisiert wird.
Welche Impulse nehmen Sie von dem zweitätigen Kongress und der Vielfalt anderer evangelischer Schulen mit in den Schulalltag?
Konkret für uns in Hettstedt nehme ich mit, dass wir unsere Unterrichtsentwicklung mehr in den Blick nehmen – weg vom Frontalunterricht, hin zum Projektunterricht, orientiert an den Jenaplan-Schulen. Wir müssen den Kindern in Zukunft auch einfach mehr zutrauen und unsere Rolle als Lehrer überdenken. So wie wir es in dem Vortrag von Hubert Winters zum Thema „Schulentwicklungsprozesse in den Niederlanden“ gehört haben: wir nehmen uns zurück und überlassen den Kindern die Führung, wir sind die Regisseure, wir planen, aber die Kinder stehen auf der Bühne.
Allgemein gesprochen, muss es aus meiner Sicht auch in zehn Jahren weiter Schulentwicklung geben. Man kann Visionen haben, sich Schwerpunkte setzen, was man erreicht haben möchte, aber das birgt neben den Chancen auch einige Hürden – gerade im Hinblick auf Themen wie Digitalisierung oder individuelles Lernen, die aus meiner Sicht für die nächsten Jahre die Herausforderungen, auch im Hinblick auf die Ressourcen, darstellen. Meiner Meinung nach ist Schulentwicklung ein fortwährender Prozess, der nicht aufhört. So wie es in der Andacht gesagt wurde: Hört niemals auf zu träumen und hört auf die Träume der Kinder!
Sie finden das Interview auch im Portal der Kirchenzeitung.