Lesung zum Schicksal von Sintikindern zur Zeit des Nationalsozialismus
Die Autorin Anja Tuckermann hat am 24. Februar für die Jahrgangsstufe 10 unserer weiterführenden Stiftungsschulen in Erfurt eine eindrückliche Lesung über die Lebensgeschichte des Sinto Hugo Höllenreiner angeboten.
Tuckermann las aus Höllenreiners bewegender Familiengeschichte und seinen Erfahrungen als Neunjähriger im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Die Lesung wurde im Rahmen des Stiftungsprogramms „Politische Bildung und demokratische Erziehung“ dank der finanziellen Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung ermöglicht.
Anja Tuckermann arbeitet als Journalistin und schreibt Sachbücher, Romane, Kinderbücher, Kurzprosa und Theaterstücke. In Schreibwerkstätten für junge Menschen gibt sie ihre Erfahrungen weiter und leitet die selbstständige, kreative Auseinandersetzung an. Einer ihrer Themenschwerpunkte ist das Schicksal von Sintikindern zur Zeit des Nationalsozialismus: 2006 gewann sie den Deutschen Jugendliteraturpreis für ihren zweiten dokumentarisch-biographischen Roman, der auf Gesprächen mit dem Zeitzeugen Hugo Höllenreiner basiert, den sie als 70-Jährigen kennenlernte.
Die Jahrgangsstufe 10 des Evangelischen Ratsgymnasiums hat sich bereits im Vorfeld mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und vor den Winterferien eine Exkursion in die Gedenkstätte Buchenwald durchgeführt. Dort konnten die Schülerinnen und Schüler sich vor Ort mit dem Aufbau und der Funktionsweise des Arbeits- und Konzentrationslagers am Ettersberg auseinandersetzen.
Die Lesung warf viele Fragen auf: Die Schülerinnen und Schüler interessierten sich für die Freundschaft, die zwischen Anja Tuckermann und Hugo Höllenreiner während der zweijährigen Arbeit am Roman entstand. Auch die dadurch entstandene emotionale Belastung für die Autorin wurde thematisiert: die Arbeit habe sie verändert, sie sei seitdem nicht mehr dieselbe Person wie vorher, ihr Blick für das Wesentliche sei geschärft.
Die Frage danach, wie sich eine Gesellschaft derart von der Menschlichkeit entfremden könne, führte die Jahrgangsstufe 10 des Evangelischen Ratsgymnasiums und der Evangelischen Gemeinschaftsschule Erfurt als Denkanstoß in die Gegenwart zurück.